Filmforum Archiv
Gloria ist 58 Jahre alt, lebt in einem kleinen Appartement mitten in Santiago de Chile, hat einen Job, zwei Kinder, einen Ex-Mann und viel Lust auf etwas Neues. Eine Frau mitten im Leben, eine Frau mit einer Vergangenheit. Genaueres erzählt der Film uns darüber nicht. Dafür lässt er uns teilhaben – an ihrem Alltag, an ihrem Leben. Jede Kamera-Einstellung behält sie im Blick. Wie sie sich Lippenstift auflegt und nochmals loszieht, in die Bars, ganz alleine, zum Tanzen, zum Flirten. Wie sie die nächtliche Randale des liebeskummerkranken Nachbarn nicht hören will und sich die Decke über die Ohren zieht. Wie sie im Auto lauthals lossingt. Aus diesen losen Beobachtungen entsteht Sympathie für diese Frau, für ihre Spontanität, ihren Humor, ihre Verletzlichkeit.
Ein älterer Mann, der eine lange Haftstrafe verbüßt hat, sucht wieder Anschluss an seine Familie und will vor allem seine neugeborene Enkeltochter kennenlernen. Er trifft auf eine angespannte Lage: Seine Exfrau, die mit einem neuen Partner zusammenlebt und als Putzfrau arbeitet, versucht so gut es geht, der seit der Geburt überforderten Tochter und ihrem Mann unter die Arme zu greifen, doch wegen diverser Widrigkeiten wird die materielle Basis immer dürftiger. Die Schwester der jungen Mutter und ihr Mann könnten helfen, sind aber reichlich egoistisch. Der Großvater hilft bei der Betreuung des Babys, kann jedoch ansonsten nicht viel tun – bis sich die Lage dramatisch zuspitzt. (moviemento)
„Robert Guédiguian setzt seinen Kampf für eine bessere Welt unbeirrt fort – und man guckt ihm weiterhin gern dabei zu, weil seine Protagonisten nie zu einem Mittel zum Zweck verkommen, sondern eine Wärme ausstrahlen, die so viel mehr wert sein sollte als alles Geld der Welt. Leider ist sie das aber nicht – und genau das ist der Stoff, aus dem diese zutiefst melancholische, auf niemals kitschige Weise zu Herzen gehende Tragödie gestrickt ist.“ (filmstarts.de)
Filmfestspiele Venedig 2019, Beste Schauspielerin: Ariane Ascaride
Venedig um 1800: Im Kollegium Sant'Ignazio, einer alten Musikschule für mittellose Mädchen, lebt Teresa, von allen nur „die Stumme“ genannt. Niemand ahnt etwas von dem außergewöhnlichen Talent dieser einfachen Magd. Während sich im Kollegium alles um den bevorstehenden Besuch des frisch inthronisierten Papstes dreht macht Teresa in der Abstellkammer eine Entdeckung: ein wunderschönes Instrument – ein Pianoforte.
Um Teresa und die revolutionäre „Musikmaschine“ versammelt sich ein außergewöhnliches Quartett von jungen Frauen. Gegen den Willen des Kapellmeisters entwickeln sie ihre eigene Vision von Musik. Es entsteht ein revolutionärer, femininer Sound, den die Welt ganz sicher nicht erwartet hat …
Mit ihrem berührenden wie mitreißenden Regiedebüt setzt die Regisseurin Margherita Vicario all den vielen vergessenen Komponistinnen ein Denkmal, die wie gepresste Blumen zwischen den Seiten der Geschichte verborgen sind.
Seattle International Film Festival 2024: Großer Preis der Jury – Bester Spielfilm
Golden Globes Italien 2024: Bester Erstlingsfilm, Beste Musik
Medienpartner: Musikschule Bregenz
Als der Bahnarbeiter Tsanko Petrov mehrere Millionen Lew auf den Schienen findet, beschließt er, diese allesamt der Polizei zu übergeben. Dankbar belohnt ihn der Staat mit einer neuen Armbanduhr, die allerdings bald nicht mehr funktioniert. In der Zwischenzeit verliert die PR-Leiterin des Transportministeriums seine alte Uhr. Hier beginnt Tsankos verzweifelter Kampf, nicht nur seine eingetauschte Uhr zurückzubekommen, sondern auch seine Würde. (film.at)
Eine bitterböse Satire über die bulgarische Gesellschaft.
„(...) ist die raue, teils dokumentarisch anmutende Mischung aus satirischer Komödie und dreckigem Drama ein kleiner Höhepunkt im neuen Filmjahr.“ (film-rezensionen.de)
Der Film wurde als bulgarischer Beitrag für den Auslands-Oscar 2017 eingereicht
Art Film Festival 2017, Bester Film ; Edinburgh International Film Festival 2017,
Bester Spielfilm; und 30 weitere Filmpreise
Bei Familie Gabriel läuft es schon seit einer Weile nicht mehr rund. Die Mutter ist vor einiger Zeit gestorben, nun ist auch Tochter Sabrina an einer unheilbaren Lungenkrankheit erkrankt. Die anderen versuchen nun jeder auf seine Weise mit der Situation umzugehen. Während sich Vater Stefan neben seiner Arbeit als Bademeister als Sterbebegleiter engagiert, hat sich die zwölfjährige Jessica eine ganze Reihe von Ritualen ausgedacht, um das Böse fernzuhalten. Viel gebracht hat es nicht, Sabrinas Zustand verschlechtert sich zunehmend. Als Außenseiter Jessi an der Schule Ärger bekommt, soll ein Therapeut ihr wieder zurück ins Leben helfen.
Der Film hält beeindruckend die Balance zwischen dem Komischen und dem Tragischen. Denn natürlich ist es irgendwo witzig, wenn Jessi die eigenartigsten Zwänge auslebt, vom Reiben ihrer überlangen Strümpfe bis hin zum Mantra-ähnlichen Aufsagen von Zahlen. Aber es ist eben auch wahnsinnig traurig, wenn sie mit kindlicher Logik und zunehmend verzweifelten und kuriosen Mitteln versucht, den Tod ihrer Schwester zu verhindern. So als müsste sie nur den Schlüssel des Universums finden, um dieses bestimmen zu können. (www.leokino.at)
Polarnacht am Rande des Eismeers – zwei Monate lang übersteigt die Sonne nicht den Horizont. Inmitten von Schnee, Eis und Dämmerung startet eine deutsche Auswandererfamilie hoffnungsvoll den Neuanfang: Niels, Maria und Sohn Markus.
Schon nach kurzer Zeit spüren Niels und Maria, dass auch das neue Umfeld die erkaltete Beziehung nicht retten kann: Niels stürzt sich in seine Arbeit als Ingenieur und beginnt eine Affäre. Maria schiebt Überstunden im Hospiz und Markus muss an der Schule seinen Platz finden. Aber dann passiert in eisiger Nacht ein schrecklicher Unfall, der alles in Frage stellt.
Die anfängliche Erstarrung weicht, und wie durch ein Wunder wird dieses Unglück für die kleine Familie zum Wendepunkt: Das Geheimnis, das Maria und Niels fortan teilen, zwingt sie zur Auseinandersetzung – und führt sie auf einen Weg zu Erlösung und Gnade. (Alamode Filmverleih)
Wettbewerb Berlin 2012
Der junge Johnny bewirtschaftet die Farm seines kranken Vaters im englischen Yorkshire. Die Kommunikation zwischen Vater und Sohn ist den widrigen Lebens- und Arbeitsumständen angepasst: Knapp und rau werden meist Worte der Kritik oder Bevormundung an den Sohn gerichtet. Frustriert geht der isolierte Johnny seinem harten Tagesgeschäft nach, hat unverbindlichen Sex mit Männern oder betrinkt sich im lokalen Pub. Als im Frühjahr der gleichaltrige Gheorghe aus Rumänien als Aushilfe für die Saison anheuert, begegnet Johnny dem Fremden zunächst mit Misstrauen. Die anfänglichen Spannungen zwischen den Männern weichen jedoch bald einer intensiven Beziehung, die Johnny neue Perspektiven eröffnet, ihn aber auch vor weitere Herausforderungen stellt.
Francis Lee zeigt in seinem Langfilmdebüt den entbehrungsreichen Farm-Alltag in authentischen Bildern. Er konzentriert sich dabei auf Blicke und Gesten seiner Charaktere und ihre unmittelbare Körperlichkeit. Die archaische Landschaft von God’s Own Country, wie die Einheimischen die ehemalige Grafschaft nennen, wird zum Spiegelbild innerer Tumulte.
Edinburgh International Film Festival 2017: Auszeichnung als Bester britischer Film |
San Francisco International Film Festival 2017: Nominierung für den Golden Gate Award New Directors Prize – Narrative films (Francis Lee) | Sundance Film Festival 2017: Auszeichnung für die Beste Regie mit dem World Cinema Dramatic Special Jury Award
Regisseurin ColineSerreau kehrt zu ihren dokumentarischen Wurzeln zurück und zeigt in ihrem entlarvenden und informativen Film lokale Alternativen zum globalen Raubbau an unseren Ressourcen auf. Dabei setzt sie auf die Kraft akribisch recherchierter Fakten und verzichtet weitgehend auf Horror-Bilder - wenngleich Aufnahmen von industriell zu Tode gepflügter Erde im Gegensatz zu lockerer, von Mikroben bevölkerter Erde den Wahnsinn moderner Massenproduktion hautnah vermitteln. Serreau zeigt aber nicht mit den Fingern auf die Schuldigen. Von Frankreich nach Indien über Brasilien, die Ukraine, Schweiz und Marokko führt die Reise. In den Interviews mit engagierten Bauern, Wirtschaftsphilosophen, Pionieren der ökologischen Landwirtschaft, Ernährungswissenschaftlern, Agraringenieuren, Umweltwissenschaftlern, Kolchosenleitern oder Repräsentanten der Landlosenbewegung MST zeigt sie Alternativen auf. Die Wiederherstellung der Saatenvielfalt und Verbesserung der Bodenqualität ist eine Überlebensfrage für die Menschheit, wie auch der individuelle oder kollektive Widerstand gegen weltweit agierende Konzerne.
Wir zeigen den Film in Zusammenarbeit mit Projekte der Hoffnung – Alternative Nobelpreisträger in Bregenz.
Meine Stunden mit Leo
UK 2022 | 97 min | OmU | R: Sophie Hyde
„Ich hatte noch nie einen Orgasmus“, gesteht die pensionierte und verwitwete Religionslehrerin Nancy dem attraktiven Callboy Leo Grande. Und genau deshalb hat sie ihn engagiert. Und natürlich geht es in den Begegnungen der beiden sehr explizit um Sex, doch Nancy lernt nicht nur, dass miteinander schlafen auch Spaß machen kann, sondern lernt ihren jungen Partner immer besser kennen. Und da die Chemie zwischen Emma Thompson und Daryl McCormack einfach stimmt, lassen die beiden die Leinwand mit ihrem Charme auf zauberhafteste Weise erstrahlen.
„Sophie Hyde gelang das Kunststück, einen Film über Lust, Lebenslügen und die heilende Wirkung von Sex zu drehen, der zu gleichen Teilen amüsiert, nachdenklich und versöhnlich stimmt und dabei ungemein sexy ist.“(Kino-Zeit.de)
„Ein Hotelzimmer und zwei Menschen, die sich einander immer mehr öffnen. Mehr braucht es nicht, um daraus einen wundervollen Film zu machen.“(3sat)
Provincetown Film Festival 2002, Publikumspreis
Die gut situierte Mona aus dem Nordsudan hat unter unglücklichen Umständen den Tod eines Mannes aus dem Süden verursacht. Um ihre Schuld wiedergutzumachen, nimmt sie die Witwe Julia und deren Sohn bei sich auf. Die beiden Frauen nähern sich einander sanft an. Mohamed Kordofani erzählt vor dem Hintergrund der Spaltung des Landes eine feinfühlige Geschichte über Schuld und Sühne.
Der Film beleuchtet eine Gesellschaft, in der Diskriminierungen fortbestehen und Frauen von absurden sozialen, kulturellen und religiösen Zwängen erstickt werden. Er wirft zudem einen wichtigen Blick auf einen entscheidenden Moment in der Geschichte Afrikas, aber auch auf ein Land, das nicht zur Ruhe kommt. Ein starkes Plädoyer für die Grundwerte des Humanismus und ein sensibler Film, der das Intime und das Politische miteinander verbindet. (trigon)
„(...) ein spannendes Charakterdrama um Schuld und Vergebung vor dem Hintergrund des schwelenden Krieges im Sudan. Ganz stark sind dabei die beiden Hauptdarstellerinnen Eiman Yousif und Siran Riak als Mona und Julia.“ (outnow.ch)
Filmfestpiele Cannes 2023: Un Certain Regard – Prix de la Liberté
Chicago Internation Film Festival 2023: Roger Ebert Award – New Directors Competition
Singapore International Film Festival 2023: Publikumspreis
Gordosist ein komödiantisches Drama Fünf Geschichten, die vom Übergewicht im Alltag handeln: Treffpunkt ist eine Gruppentherapie. Ein Ort, an den die Menschen nicht gehen um ihr Gewicht zu verlieren, sondern um herauszufinden, warum sie zugenommen haben. Sie wollen erkunden, warum sie ihre Körper nicht mögen. Ihr Gewicht ist nicht das Entscheidende, ihre Körper sind nicht das Entscheidende. Das Übergewicht ist eine Metapher, um über Dinge zu sprechen, die wir jeden Tag „runterschlucken“, und die in uns „wachsen“. Dinge, die wir nur schwer ausdrücken oder akzeptieren können und denen wir uns schon gar nicht stellen.
Nach seinem Goya-gekrönten Familiendrama dunkelblaufastschwarz vollführt der Spanier Daniel Sánchez Arévalo mit seinem Porträt über Dicke einen Seelenstriptease der besonderen Art. (kino.de)
Gott existiert, ihr Name ist Petrunya
MK 2019 | 100 min | OmU | R: Teona Strugar
„Sag ihnen, du bist 24!“, rät die Mutter, als sie ihre Tochter wieder einmal zu einem erfolglosen Vorstellungsgespräch schickt. Doch Petrunya ist 31 und hat dazu noch studiert, was niemand braucht: Geschichte. Arbeitgeber finden sie zu dick und zu alt. Auf dem Heimweg springt Petrunya ins kalte Wasser und mischt damit zufällig bei einem kirchlichen Ritual mit, das seit Menschengedenken männlichen Wesen vorbehalten ist…
Als Komödie und beißende Satire führt uns der Film eine immer noch patriarchale Gesellschaft vor Augen und trifft damit einen Nerv unserer Zeit. Die Darstellerin von Petrunya Zorica Nusheva ist eine stoische Wucht und bringt uns die Figur mit phänomenalem Talent nahe. Sie verkörpert diese Offenbarung einer jungen Frau, die so richtig selbstbewusst wird, als sie die Schwächen des vermeintlich starken Geschlechts wahrnimmt. Der Film ist eine Satire auf eine Gesellschaft, die modern sein möchte aber die Regeln von früher nicht hinter sich lässt. (polyfilm)
Finalist für den LUX Filmpreis der EU 2019 | Berlinale 2019: Gewinner des Gilde Filmpreises: Bester Film, Gewinner des Preises der Ökumenischen Jury | Sevilla Filmfestival 2019, Beste Darstellerin | Motovun: Gewinner des Preises der internationalen Filmkritik (FIPRESCI)
Eine Kooperation mit:
Verein Amazone
Frauen Museum Hittisau
Verein GoWest