Filmforum Archiv
Nach dem Tod seines Großvaters erhält Regisseur Nils Olger die titelgebende Kassette mit Fotonegativen, die der Arzt und frühere SS-Untersturmführer als Mitglied einer Aufklärungseinheit der berüchtigten 16. Panzerdivision Reichsführer S angefertigt hatte. Als deren ehemaliger Kommandant Walter Reder 1985 unter skandalösen Umständen aus italienischer Haft nach Österreich zurückkehrte, war die unfassbare, hier penibel nachgezeichnete Schreckensspur der NS-Mördertruppe noch nicht in vollem Umfang bekannt. Ein Film aus Österreich, der längst hätte gemacht werden müssen. Nun gibt es ihn, eindringlich und genau. (Stephan Settele)
Nils Olger ist Filmemacher und Künstler, lebt in Wien. Er studierte postkonzeptionelle Kunst, Neue Medien und Sozialarbeit. Beteiligt an Film-, politischen, redaktionellen und Performance-Kollektiven. Eine eiserne Kassette ist sein erster abendfüllender Dokumentarfilm.
Im Anschluss an die Vorführung findet ein Filmgespräch mit dem Regisseur Nils Olger und Johannes Spies statt.
In Kooperation mit der Jüdischen Museum Hohenems, der Arbeitsgemeinschaft für Christentum und Sozialdemokratie (acus), dem Bund Sozialdemokratischer AkademikerInnen, dem Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, erinnern.at und der Johann-August-Malin-Gesellschaft
Ein Jahr in der Gartenkooperative Ortoloco
CH 2012 | 41 min | sd | R: Sonja Mühlemann und Jeanne...
Sie säen, jäten, ernten. Denn sie wollen wissen, woher das Gemüse kommt, das vor ihnen auf dem Teller liegt. Über 100 GenossenschafterInnen zählt die regionale Gartenbaukooperative Ortoloco in Dietikon.
Mit viel Handarbeit, Engagement und Schweiß ziehen sie ihr eigenes Gemüse. Ihre Vision: Eine neue Form von Landwirtschaft, ohne Chemiedünger, ohne weite Transportwege, ohne Billiglöhne – und im Einklang mit der Natur. Die Filmemacherinnen haben das Pionierprojekt ein Jahr lang begleitet und zeigen die Menschen im Ortoloco-Garten.
Anschließendes Filmgespräch mit Stefan Grosslercher von fürmonde (Verein zur Förderung subsistenzorientierter Lebensweisen), Ursina Eichenberger und Tex Tschurtschenthaler (Gartenkooperative Ortoloco)
Eine Veranstaltung von FIAN Österreich, Attac Österreich, ÖBV Via Campesina Austria, normale.at und dem Filmforum Bregenz
Ein 14-jähriger Junge stirbt nachts in der bunten Warenwelt eines Supermarkts. Dieses verstörende Bild sollte mich noch lange beschäftigen, als ich 2009 eine Tageszeitung aufschlug und von einer Geschichte erfuhr, die in Österreich wochenlang kontrovers diskutiert wurde. Davon inspiriert erzählt “Einer von uns” einen komplexen Kosmos an Figuren, die die sterilen Gänge und den riesigen betongrauen Parkplatz des Supermarkts beleben. Dabei begegnen alle Charaktere dem 14-jährigen Teenager Julian, der neugierig und naiv das Abenteuer in dieser streng geordneteten Konsumwelt sucht.
Die riesigen Regalwelten, gefüllt mit knalligen aber leeren Versprechungen, bilden im Film die zentrale Erzählperspektive auf eine Geschichte über Identität, Freundschaft, Liebe, Anerkennung und die Langeweile der Vorstadt. Die erwachsenen Figuren fungieren dabei meist als systemtreue Erfüllungsgehilfen, die eine spätkapitalistische Lüge am Leben erhalten, obwohl sie selbst darin kaum Erfüllung finden. Gerade diese Tatsache macht die Geschichte eines Jungen, der diesem System sinnlos zum Opfer fällt, in meinen Augen so unendlich traurig. Menschen sind hier in erster Linie Konsumenten, und lebendig sind scheinbar nur die Jugendlichen und ihre ziellose aber mitreißende Rebellion.“ (einervonuns.at)
San Sebastian Filmfestival 2015, New Directors Award
Der ehemalige Lehrer Ekki streitet sich wegen eines aus dem Sortiment genommenen Produkts mit Supermarktleiter Uwe, der übers Internet die Künstlerin Janine kennenlernt, die wiederum den Familienvater und Hobby-Imker Robert porträtiert. Uwes Frau Julia hält sich indes an die käufliche Liebe. (…) Callboy Vincent hat sich gemeinsam mit seiner Freundin ganz konkrete Grenzen für seine Tätigkeit gesteckt. Vincent wohnt übrigens im selben Stock wie Lehrer Ekki, der nebenbei einen "Anger Room" betreibt, in dem unter anderem auch Robert seinen Frust an zum Zerstören freigegebenen Möbeln auslässt. Die Verbindung zwischen Robert und Ekki bleibt am längsten im Dunkeln, erweist sich dann aber auch als die dramatischste …
(…) Einsamkeit und Sex und Mitleid(ist) eine universell zugängliche, extrem unterhaltsame, zu Diskussionen zwingende Satire, die vor allem auch durch ihren verwegenen Stilwillen einem repräsentativen Querschnitt durch unsere Gesellschaft erstaunlich nahe kommt …
Fazit: Selten war deutsches Arthauskino so nah am Puls der Gesellschaft. Eine saulustige Ensemble-Satire, die mit ihrem Hang zum Extremen, bissigen Ideen, verwegenen Stilmitteln und tollen (oft noch wenig bekannten) Darstellern überzeugt. (filmstarts.de)
Vizeleutnant Charles Eismayer, der härteste Ausbilder beim österreichischen Bundesheer, hütet sorgfältig sein Geheimnis: Er ist schwul. Als er sich jedoch in einen Rekruten verliebt, gerät sein heteronormativ konstruiertes Leben ins Wanken. Das traditionelle Rollenbild des Soldaten ist für Eismayer mit einer schwulen Beziehung nicht vereinbar. Wird er seinem Image des knochenharten Machos treu bleiben oder dem Ruf seines Herzens folgen? Kann letztlich gar beides miteinander vereinbar sein? Nach wahren Begebenheiten.
„Ein derartiger Kino-Stoff wurde in Österreich noch nie erzählt, und es ist tatsächlich höchste Zeit dafür. Nicht nur, weil sich in Österreich um die Person Charles Eismayers bei Grundwehrdienern viele Legenden ranken, sondern auch, weil diese Geschichte unsere Vorurteile und Vorstellungen von vermeintlicher Männlichkeit und Stärke bricht und neu zusammensetzt.“
(Arash T. Riahi, Sabine Gruber, Produzent*innen)
Settimana Internazionale della critica, Venedig 2022, Bester Film
In Kooperation mit GoWest – Verein für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und Queer und der Stadt Bregenz (Fachbereich LGBTIQ+)
Hinweis: Der Film beinhaltet gewaltsame Szenen
Der Schamane und die Schlange
CO 2015 | 125 min | OmU | R: Ciro Guerra
Zwei Forscher dringen ins Innerste des Amazonas vor: Der deutsche Ethnologe Theodor Koch-Grünberg im Jahr 1909, der nordamerikanische Botaniker und Abenteurer Richard Evan Schultes im Jahr 1940. Begleitet werden beide vom gleichen Schamanen, der selber der einzige Überlebende eines ausgelöschten Stammes ist und sie je zum Ziel ihrer Wünsche fuhren soll: Sie suchen eine im Urwald verborgene halluzinogene Wunderpflanze.
Zusehends wandeln sich in El abrazo de la serpientedie beiden realen historischen Handlungen zum zeitüberschreitenden spirituellen Abenteuer, zum bildgewaltigen psychedelischen Trip, wie man ihn seit Apocalypse Nowvon Francis Ford Coppola nicht mehr in dieser Intensität gesehen hat. Joseph Conrad lässt auch hier mit seinem Roman Heart of Darknessgrüßen, der Mekong dort, der Kongo da, und nun dieser Amazonas.
Packend, wie uns Guerra über Mensch, Natur und die destruktive Macht des Kolonialismus nachdenken lässt, wie er die Rollen umkehrt, unvergesslich seine Tauchfahrt ins Innere des immensen Regenwalds. Erst ganz am Ende taucht er wieder auf und lässt uns aufatmen. (trigon)
Cannes 2015, Bester Film – Art Cinema Award
Nominiert für den Oscar als bester fremdsprachiger Film
„Er ist nicht Deutscher, er ist Argentinier“, meint die junge Sulamit Löwenstein über ihren Freund Friedrich. Beide wachsen im Argentinien der 1950er auf, sie als Tochter jüdischer Eltern, er als Sohn eines Nazis. Als sie sich ausgerechnet in Deutschland als Austauschstudenten wiedertreffen, kämpft Friedrich politisch gegen den Makel seiner Herkunft. Den beiden stellt sich die Frage „was wird aus uns?“, während in Argentinien die Militärdiktatur wütet.
In ihrem neuen Kinofilm erzählt Jeanine Meerapfel die Geschichte einer großen Liebe in den Zeiten des politischen Umbruchs und historischen Wandels.
Hieronymus Bosch – Garten der Lüste
ES 2016 | 86 min | OmU | R: José Luis López-Linares
Surrealistischer Fiebertraum, Allegorie der Schöpfungsgeschichte und ein Geheimnis hinter dem Geheimnis: Seit genau 500 Jahren fasziniert Hieronymus Boschs berühmtestes Gemälde Der Garten der Lüsteseine Betrachter immer wieder aufs Neue. Philosophen, Wissenschaftler, Historiker und Künstler wie die Schriftsteller Salman Rushdie und Cees Noteboom, der Philosoph Michel Onfray oder der Komponist Ludovico Einaudi laden uns ein, die unendlich vielfältigen Aspekte und Deutungsmöglichkeiten eines der bildgewaltigsten Werke der Kunstgeschichte zu entdecken.
Hieronymus Bosch – Garten der Lüsteist ein ebenso farbenprächtiger wie spannender Trip in die rätselhafte Welt eines rätselhaften Künstlers, unterlegt mit einem soghaften Soundtrack, der von Bach bis Elvis Costello reicht und die Zeitlosigkeit von Boschs Meisterwerk auch musikalisch eindrucksvoll unterstreicht.
Ein ehrenwerter Bürger
AR, ES 2016 | 118 min | OmU | R: Gastón Duprat,...
Zum ersten Mal seit 40 Jahren kehrt der Literatur-Nobelpreisträger Daniel Mantovani in seinen Heimatort in der argentinischen Provinz zurück. Doch was als nostalgische Reise an die Quelle seiner literarischen Inspiration beginnt, wird für den berühmten Autor bald zum realen Höllentrip.
El ciudadano illustreist eine furiose Komödie über die Gespenster der Vergangenheit, glänzt mit intelligenten und wunderbar bissigen Dialogen und war in den lateinamerikanischen Kinos ein fulminanter Publikumserfolg.
„Ein großes Vergnügen“ (The Hollywood Reporter)
„Erinnert an die großen italienischen Komödien“ (Le Figaro)
Venedig Film Festival 2016, Bester Schauspieler für Oscar Martìnez
Goya Awards 2017, Bester lateinamerikanischer Film
Haifa 2016, Bester internationaler Film
Havana Film Festival 2016, Bestes Drehbuch
Argentinien in den frühen 1980er-Jahren. Die Puccios leben in einem gutbürgerlichen Stadtteil in Buenos Aires, nach außen wirken sie wie eine ganz normale Großfamilie. Doch der Schein trügt. Im Verborgenen führt Patriarch Arquímedes Puccio mit harter Hand die Geschäfte der Familie, dunkle Machenschaften mit grausamen Methoden: Kidnapping, Lösegelderpressung, Mord. Dafür braucht Arquímedes vor allem die bedingungslose Unterstützung seines ältesten Sohnes Alejandro, der für ihn geeignete Opfer ausfindig macht. Als Star-Spieler der Rugby-Nationalmannschaft ist dieser durch seine Berühmtheit über jeden Verdacht erhaben und somit das ideale Werkzeug. Als Alejandro jedoch das makabre Familienbusiness in Frage stellt, droht die Fassade zu bröckeln.
El Clanberuht auf einem der berühmtesten Kriminalfälle Argentiniens und sprengte in seinem Herkunftsland sämtliche Kinorekorde. In atmosphärisch dichten Bildern erzählt Regisseur Pablo Trapero die Story des Puccio-Clans, der aktiv war, als das Land an der Schwelle von der Diktatur zur Demokratie stand. Der vom spanischen Kultregisseur Pedro Almodóvar mitproduzierte Gänsehaut-Thriller wurde am Filmfestival Venedig mit einem Silbernen Löwen für die beste Regie ausgezeichnet.
Silberner Löwe (Beste Regie), Venedig 2015
Der Lehrer, der uns das Meer versprach
ES 2023 | 105 min | OmU | R: Patricia Font
Spanien 1935: Der Lehrer Antoni Benaiges übernimmt kurz vor Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs die Grundschule eines kleinen, abgelegenen Dorfes in der Provinz Burgos. Dank seiner antiautoritären Unterrichtsmethoden baut er schnell eine vertrauensvolle Beziehung zu seiner Klasse auf. Doch der freundliche Umgang mit den Kindern wird von Eltern und Dorfvorstehern argwöhnisch beobachtet. Und dann gibt Benaiges seinen Schülern ein Versprechen: In den Sommerferien will er ihnen das Meer zeigen, das diese noch nie gesehen haben. Bei den Eltern stößt diese Idee auf große Skepsis …
75 Jahre später, im Jahr 2010, recherchiert Ariadna, die Enkelin eines seiner damaligen Schüler, die bewegende Geschichte von Antoni Benaiges und entdeckt dabei, mit welch großen Widerständen dieser charismatische Mann zu kämpfen hatte.
Neben Enric Auquer, kehrt Laia Costa, die 2015 mit dem Deutschen Filmpreis für die beste weibliche Hauptrolle in Victoria ausgezeichnet wurde, auf die Leinwände zurück. In seinem Heimatland Spanien erhielt der Film fünf GOYA-Nominierungen und war mit über 250.000 Besuchern ein beachtlicher Erfolg an den Kinokassen. (filmladen)
Gaudí Award 2024: Publikumspreis
Medienpartner: Vorarlberger LehrerInnen-Initiative – unabhängige GewerkschafterInnen
Mit Zärtlichkeit, emotionaler Wahrhaftigkeit und tragikomischem Humor erzählt El Olivodie Geschichte einer jungen Frau, die auszieht, das Unmögliche zu versuchen: Eine Reise, die niemanden unberührt lässt, am wenigsten sie selbst.
Alma ist Anfang 20, rebellisch und impulsiv. Ihre ganze Liebe gilt ihrem Großvater, der nicht mehr spricht, seit die Familie vor Jahren gegen seinen Willen den uralten Olivenbaum verkauft hat, und der langsam im Nebel des Alters zu verschwinden droht. Alma beschließt zu handeln: Sie will den Olivenbaum nach Hause zurückholen, um dem Großvater seinen größten Wunsch zu erfüllen. Doch der Baum steht längst eingetopft im Atrium eines Düsseldorfer Energiekonzerns, und zwar als Symbol für Nachhaltigkeit.
Hals über Kopf stürzt sich Alma in eine Reise, die Don Quijote alle Ehre machen würde. Umso mehr, als die beiden Sancho Pansas, ihr schräger Onkel Alcachofa und ihr still verliebter Kollege Rafa, keine Ahnung davon haben, wie schwierig die Unternehmung ist, auf die sie sich da einlassen.
El Olivo ist nach Und dann der Regender neue Film von Goya-Preisträgerin Icíar Bollaín, emotional, politisch und mit dem unverwechselbaren Humor von Paul Laverty.