Filmforum Archiv
Namenlos bleibende dreizehnjährige Zwillingsbrüder werden inmitten des Zweiten Weltkriegs von ihrer Mutter aufs Land zu ihrer Großmutter gebracht. Hier erleben sie häusliche Gewalt, denn die bösartige Frau lässt die Zwillinge hart für sich arbeiten. Die Kinder müssen sich den gegebenen Umständen anpassen, ohne dass sie jemand beschützt, erzieht oder führt. Sie sind gezwungen, ihre eigenen Moralvorstellungen auszubilden und sich in Selbstkontrolle zu üben. Ihr Repertoire angelernten Verhaltens reicht von Gefühlskälte über Hungern und Betteln bis hin zum Stehlen und Töten. Die beiden sind sich darüber einig: Diese Dinge benötigen sie im Alltag. Ihre autodidaktische Ausbildung sowie die zeitgleich stattfindenden Bombardierungen und die Verfolgung der Juden dokumentieren die beiden Jungen ganz sachlich in einem großen Heft. Hier notieren sie auch ihre größte Angst: die Trennung.
Was macht Krieg aus Menschen? Dieser großen Frage nähert sich die Filmparabel Das große Heftmit konkreter, mitleidsloser Härte.
Molière auf dem Fahrrad
FR 2013 | 104 min | OmU | R u. B: Philippe Le Guay
Einst war Serge Tanneur ein gefeierter Schauspieler, doch inzwischen ist er aus dem Rampenlicht verschwunden. Der Druck eines Lebens als Künstler und Star wurde ihm irgendwann zu viel und so zog er sich auf die Île de Ré zurück. Auf der abgeschiedenen Insel, die bei La Rochelle vor der französischen Küste im Atlantik liegt, genießt er seit drei Jahren das Alleinsein.
Doch dann taucht Gauthier Valence auf. Der Schauspielkollege ist auf dem Höhepunkt seiner eigenen Karriere und möchte Serge für sein nächstes Projektgewinnen. Molières Stück Der Menschenfeind(Le Misanthrope) soll verfilmt werden und Valence kann sich keinen besseren als Tanneur für die Rolle vorstellen. Doch der zum Einsiedler gewordene Schauspieler lässt sich nicht so leicht zu einer Zusage bewegen. Zunächst einmal will er eine Woche gemeinsam üben. (moviepilot.de)
Nominiert für 3 Césars
Musiker, Komponist, Dichter, Zeichner - Werner Pirchner war alles und doch viel mehr. Der "Frank Zappa von Tirol" begann seine Karriere als Vibraphonist, gründete in Innsbruck einen legendären Jazzclub und erregte die konservativen Gemüter seiner Landsleute mit dem Kurzfilm Der Untergang des Alpenlandes. Sein Halbes Doppelalbumrechnete mit den heiligen Kühen des "heiligen Landes" ab - und ist heute ein begehrtes Sammlerstück. Nach gemeinsamen Jazz-Projekten mit Harry Pepl (Jazzzwio) widmete sich Pirchner Mitte der 1980er Jahre fast ausschließlich seiner kompositorischen Arbeit. Unter anderem war er für das heute noch zu hörende Signation-Konzept von Ö1 verantwortlich.
Ein Schriftsteller kommt im Grand Budapest Hotel, das schon bessere Zeiten erlebt hat, mit einem älteren Stammgast ins Gespräch. Er erfährt, dass ihm das Hotel einstmals gehörte und er dort als Lobbyboy angefangen hatte. Zu einer Zeit, als der penible und galante Monsieur Gustave noch für makellosen Service sorgte - insbesondere gegenüber der älteren, weiblichen Klientel. Er erzählt von einem wahrlich erstaunlichen Abenteuer, als Gustave im Testament einer millionenschweren Witwe berücksichtigt und bald als deren Mörder gejagt wird.
Bill Murray bei der US-Premiere an Anderson gerichtet: „Ich glaube, das ist das Beste, was du jemals gemacht hast.“
Berlinale 2014: Silberner Bär für Wes Anderson
Theodore Twombly, ein einsamer introvertierter Mann, schreibt Liebesbriefe für Menschen, denen es schwer fällt, dem Gegenüber ihre eigenen Gefühle verständlich zu machen. Die Trennung und kurz bevorstehende Scheidung von seiner Jugendliebe Catherine belastet ihn seelisch schwer. Er holt sich eines Tages ein Betriebssystem für seinen Rechner, welches sich wie ein menschliches Wesen gebärdet und weiterentwickelt, da es über künstliche Intelligenz verfügt. Twombly entscheidet sich für eine weibliche Identität auf seinem Rechner. Nun kann er über Headset und Videocamera mit dieser künstlich erschaffenen Frau interagieren. Sie selbst nennt sich Samantha und reagiert auch auf diesen Rufnamen. Twombly ist fasziniert von Samanthas Fähigkeiten. Die beiden bauen während ihrer intensiven Gespräche eine Beziehung zueinander auf.
Mit seinem Geniestreich umwandert Spike Jonze die Grenzen von Natürlichkeit und Künstlichkeit und treibt damit das latente libidinöse Begehren, das der Mensch zur Maschine unterhält, auf die Spitze – ohne sich einem Kulturpessimismus zu unterwerfen. (Ray 2014)
Oscars 2014: Auszeichnung in der Kategorie Bestes Originaldrehbuch für Spike Jonze
Golden Globe Awards 2014: Auszeichnung in der Kategorie Bestes Drehbuch für Spike Jonze
Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
SE 2013 | 114 min | OmU | Regie: Felix Herngren
Allan Karlsson hat Geburtstag. Er wird 100 Jahre alt. Doch anstatt sich auf die geplante Geburtstagsfeier zu freuen, verschwindet er lieber kurzerhand aus dem Altersheim und macht sich in seinen Pantoffeln auf den Weg zum örtlichen Busbahnhof. Raus aus der Langeweile und rein in ein neues Abenteuer, das ist Allans Ziel. Während seiner Reise kommt er erst zu einem riesigen Vermögen, findet neue Freunde und trifft auf Gauner, Ganoven und Kriminelle, bevor er sich mit Elefantendame Sonja auf den Weg nach Indonesien macht. All das ist für Allan aber schon lange nichts Besonderes mehr, hat er doch die letzten 100 Jahre maßgeblich dazu beigetragen, das politische Geschehen in der Welt unbewusst auf den Kopf zu stellen...
Der erfolgreiche schwedische Regisseur und Comedian Felix Herngren hat Jonas Jonassons internationalen Bestseller mit dem typisch schwedischen Fingerspitzengefühl für schwarzen Humor und absurde Situationen für die Leinwand adaptiert.
Teilnahme Internationale Filmfestspiele Berlin 2014: Berlinale Special
Polen 1962. Anna wächst in einer Klosterschule auf, seit sie als Kind verwaist ist. Um sich ihren Wunsch, eine Nonne zu werden, zu erfüllen, muss sie, bevor sie ihr Gelübde ablegt, ihre einzige noch lebende Verwandte, Tante Wanda, besuchen. Von ihr erfährt Anna erstmals von ihrer jüdischen Herkunft und dass ihr ursprünglicher Name Ida war. Das Aufeinandertreffen des behütet aufgewachsenen Mädchens und der merkwürdig mondänen wie parteitreuen Richterin wird das Leben beider Frauen für immer verändern.
Pawel Pawlikowskis (Last Resort, My Summer of Love) neuer Film ist nicht nur vielfach bei Festivals ausgezeichnet worden, sondern entwickelte sich in auch Frankreich und anderen Ländern zum Sensationserfolg beim Kinopublikum.
„Ein Juwel, zärtlich und rau, witzig und traurig“ (The Guardian)
„Der Film ist von einer Schönheit, bei der einem die Luft weg bleibt.“ (Le Nouvel Observateur)
Filmfestival Toronto 2013: Preis der Internationalen Filmkritik (Special Presentations)
Filmfestival London 2013: Bester Film
Filmfestival Warschau 2013: Bester Film
Filmfestival Gijón 2013: Bester Film
Filmfestival Les Arcs 2013: Bester Film
Nachdem der zurückgezogen lebende Seligman die übel zugerichtete Joe in einer Gasse gefunden und mit nach Hausegenommen hat, erzähltihm die selbsternannteNymphomanin von ihremoffenenUmgangmit Sex. Nach und nachoffenbartsich die Geschichte einerFrau, die nachdemVerlust des geliebtenVatersnachLiebe und Geborgenheitsucht, sichjedochausMisstrauen und Angst vorGefühlen in eineabwärtsführendeSpiralesexuellerAusschweifungenbegibt. Nochstärkerals der ersteTeilhandeltNymph()maniac Vol. II von Schuld und Depression: JeglichersexuellerEmpfindungenberaubt, machtsich Joe auf die SuchenachimmerextremerenkörperlichenErfahrungen und wirddabeiimmerstärkeran den Rand der Gesellschaftgetrieben. In Nymph()maniac breitet Lars von Trier nichtnureineindividuelleKrankheitsgeschichteaus, sondernentwirftzugleicheingestochenscharfesPanoptikumeinerpornografisiertenGegenwart. (leokino.at)
Provokativer und düstererals der ersteTeilschließt Lars von Trier seinerzählerisches Experiment auf treffende Weise ab, die zunächstschockieren mag, aberfolgerichtigist. (programmkino.de)
Ein Mädchen verliebt sich auf einer Kirmes und wird schwanger. Weil der kurze Liebestaumel sich im Irland der fünfziger Jahre ereignet, wird daraus ein Abstieg in die Hölle. Das junge, hübsche Ding landet, von der Familie verstoßen, in einem Nonnenkloster. Dort entbindet Philomena, wie Tausende Mädchen in vergleichbarer Lage, unter unsäglichen Bedingungen ihr Kind, leistet daraufhin jahrelang Sklavenarbeit in einer Wäscherei und muss dann erleben, dass man ihr ihren vierjährigen Sohn Anthony entreißt, um ihn, wie unzählige Kinder anderer unehelicher Mütter, nach Amerika zu verkaufen. Das waren tausend Pfund Erlös für die unbarmherzigen Nonnen.
Wie der Regisseur Stephen Frears aus diesem Stoff einen Film machen konnte, in dem man nicht nur mit den Tränen kämpft, sondern auch ziemlich viel lacht, grenzt an ein Wunder.
Venice Film Festival Award: Best Screenplay (Steve Coogan, Jeff Pope)
Toronto International Film Festival, People's Choice Award: 2. Platz (Stephen Frears)
SIGNIS Award (Stephen Frears)
Leoncino d'Oro Agiscuola Award - Cinema for UNICEF (Stephen Frears)
Brian Award (Stephen Frears) und viele andere Auszeichnungen
Hans A. Pospiech, leidenschaftlicher Amateurfilmer, hält sich nur über Wasser, indem er Weltkriegs-Memorabilien aus dem Nachlass seines Vaters verscherbelt. Als die örtliche Bank einen Filmpreis ausschreibt, versucht Pospiech, groß zu denken und einen absoluten Kassenschlager zu produzieren. Und während allein das Thema seines Vorhabens im Ort für Furore sorgt, entwickeln sich die Dreharbeiten zu einem Desaster, das alle ins Verderben zieht...
Zwischen beißender Ironie und melancholischem Witz bietet die österreichisch-deutsche Koproduktion Und Äktschn!nicht nur ein Wiedersehen mit Gerhard Polt im Kino, sondern auch eines der schillerndsten Komödien-Ensembles der letzten Jahre.
“Der Poltsche Sarkasmus macht vor gar nichts halt. ... Brückner und Polt – ein kongeniales Dilettanten-Duo. ... Wenn man Gerhard Polt und Gisela Schneeberger zusammen sieht, weiß man, was man so lange vermisst hat. ... Genau das, was wir an Polt so lieben.” (Sueddeutsche.de )