Filmforum Archiv
Es ist Spätsommer im Burgund und die Weinernte steht bevor. Der dreißigjährige Jean kehrt nach vielen Jahren der Funkstille auf das idyllische Familienweingut zurück. Sein Vater liegt im Sterben und seine Geschwister Juliette und Jérémie, die das Gut in der Zwischenzeit aufrechterhalten haben, können jede Unterstützung gebrauchen.
So wie sich jedes Erntejahr nach den Jahreszeiten richtet, erkennen die Geschwister, dass manch offene Wunden auch über die Jahre hinweg nicht heilen. Gemeinsam müssen sie entscheiden, ob die Familientradition weitergeführt werden soll oder jeder seinen eigenen Weg geht …
Mit dem Wandel der Jahreszeiten folgt Regisseur Cédric Klapisch L´Auberge espagnole-Trilogie; So ist Paris) dem Beziehungsgeflecht dreier ungleicher Geschwister. Bewegendes, französisches Erzählkino über die Kunst, das persönliche Glück zu finden – ein filmischer Hochgenuss!
Mit ihrer rauen, tiefen und melancholischen Stimme hat die mexikanische Sängerin Chavela Varga die sogenannten Rancheras, eine traditionelle mexikanische Musikgattung, in der normalerweise nur Männer ihr Herzleid klagen, zu neuem Leben erweckt. Ausgerechnet eine Frau, eine Rebellin, deren Trinkgelage von Freitag bis Mittwoch gedauert haben sollen, die angeblich Sex mit der gefeierten Künstlerin Frida Kahlo hatte, ja die sich sogar traute, Hosen zu tragen, sang von der Liebe zu anderen Frauen. Im Mexiko der 50er-Jahre ist Homosexualität ein Affront – und das glamouröse Leben der erfolgreichen Sängerin wird zum Gegenstand zahlloser Gerüchte. Dann bricht die Karriere der Sängerin von einen Tag auf den anderen ab.
Erst Ende der 80er Jahre taucht Chavela wieder auf. Mittellos und vergessen lebte der einstige Star in einer kleinen Hütte in der Nähe von San Jose, der Hauptstadt von Costa Rica. Doch mit 70 Jahren gelingt ihr noch einmal das Comeback, als der Filmemacher Pedro Almodóvar auf Chavela aufmerksam wird. Kurzerhand engagiert er sie, um den Soundtrack für die Filme High Heels – Die Waffen einer Frauund Mein blühendes Geheimnisaufzunehmen. Plötzlich steht die beinahe vergessene Chavela Vargas wieder im Rampenlicht. Die Dokumentation von Catherine Gund und Daresha Kyi rekonstruiert das Leben einer Ausnahmekünstlerin, die auch heute noch Gegenstand Dutzender Mythen ist.
Die Geschichte der Katharina Walser
CH 2015 | 96 min | Schweizerdeutsch | R: Kuno Bont
Die Serviertochter Katharina Walser kommt voller Hoffnung in die Schweiz, um hier das Glück zu finden. Der Ostschweizer Regisseur Kuno Bont rollt einen Fall aus den 1950er Jahren auf, in dem eine „Ausländerin” sich gegen Vorurteile, Behörden und Seelenklempner wehrt: Die aus dem Österreichischen stammende Katharina Walser findet einen Job in einer Rheintaler Bergbeiz. Sie wird ausgebeutet, missbraucht, ist Wirt und dem Gemeindevorstand ausgeliefert. Nur Wildhüter Tannbühler hält zu ihr. Ein Heimatfilm ohne Postkartenidylle und Beschönigungen. St. Galler Tagblatt
Ein Außenseiter des Schweizer Films, Kuno Bont, hat es gewagt und einen schauerlichen Fund zutage gefördert: Das Deckelbad, ein Trauerspiel über die Schweiz, ihre Behörden, ihre ländliche Population und ihre rigiden Strukturen. Weltwoche
Wir zeigen den Film als Österreichpremiere in Anwesenheit des Regisseurs Kuno Bont und der Hauptdarstellerin Simona Specker. Kuno Bont wird eine kurze Einführung zum Film geben und auch nach dem Film für Fragen zur Verfügung stehen.
Der Designer Dries van Noten macht Mode, die aus der Zeit fällt, inspiriert von Rubens, Monroe und Bowie. Ein Film zeigt seine Gegenentwürfe zur Fast-Fashion-Hysterie. ZEIT magazin
Dries Van Noten ist nicht der typische Modedesigner – statt aktuellen Trends nachzulaufen, kreiert der gebürtige Belgier einen eigenen Stil. Ungewöhnliche Stoffe und Prints kombiniert mit Stickereien und folkloristischen Elementen prägen seine Kleider. Selbst, als sein Stern in den 90er Jahren zu sinken droht, hält der Designer an seiner Idee fest. Bis ihm in den Nullerjahren ein spektakuläres Comeback gelingt. Der Dokumentarfilmer Reiner Holzemer hat den außergewöhnlichen Fashion-Star ein Jahr lang begleitet. Die Dokumentation zeigt den Schaffensprozess und den Alltag des Designers, gibt Einblick in intime Momente und öffentliche Auftritte und erschafft so ein umfassendes Porträt von Dries Van Noten.
Der junge Johnny bewirtschaftet die Farm seines kranken Vaters im englischen Yorkshire. Die Kommunikation zwischen Vater und Sohn ist den widrigen Lebens- und Arbeitsumständen angepasst: Knapp und rau werden meist Worte der Kritik oder Bevormundung an den Sohn gerichtet. Frustriert geht der isolierte Johnny seinem harten Tagesgeschäft nach, hat unverbindlichen Sex mit Männern oder betrinkt sich im lokalen Pub. Als im Frühjahr der gleichaltrige Gheorghe aus Rumänien als Aushilfe für die Saison anheuert, begegnet Johnny dem Fremden zunächst mit Misstrauen. Die anfänglichen Spannungen zwischen den Männern weichen jedoch bald einer intensiven Beziehung, die Johnny neue Perspektiven eröffnet, ihn aber auch vor weitere Herausforderungen stellt.
Francis Lee zeigt in seinem Langfilmdebüt den entbehrungsreichen Farm-Alltag in authentischen Bildern. Er konzentriert sich dabei auf Blicke und Gesten seiner Charaktere und ihre unmittelbare Körperlichkeit. Die archaische Landschaft von God’s Own Country, wie die Einheimischen die ehemalige Grafschaft nennen, wird zum Spiegelbild innerer Tumulte.
Edinburgh International Film Festival 2017: Auszeichnung als Bester britischer Film |
San Francisco International Film Festival 2017: Nominierung für den Golden Gate Award New Directors Prize – Narrative films (Francis Lee) | Sundance Film Festival 2017: Auszeichnung für die Beste Regie mit dem World Cinema Dramatic Special Jury Award
Mit seinem Dokumentarfilm spürt Raoul Peck dem weißen Rassismus in der amerikanischen Gesellschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach.
Im Film spricht fast ausschließlich James Baldwin. Er spricht, ohne dabei in erster Linie von sich selbst zu sprechen, vor allem darüber, was es heißt, schwarz zu sein. Erzählt, wie seine Auseinandersetzung mit den Bürgerrechtlern verläuft, was er sieht, wenn er nach langer Abwesenheit nach New York zurückkommt, was er an Harlem vermisst hat, während er in Europa war, und wie es ist, nach Hause zu kommen, wenn man nicht mehr weiß, was das bedeutet. Er spricht von seiner ersten großen Liebe, die das Hollywood-Kino war. Im Zentrum seiner Gedanken aber steht immer wieder die Einsicht, dass neben, unter, über allem anderen die Schwarzen auch dafür gebraucht wurden, zu definieren, was ein Weißer ist. Baldwin war in allem seiner Zeit voraus. Er starb 1987, da war er dreiundsechzig.
Wenn Baldwin nicht selbst spricht, übernimmt Samuel L. Jackson seinen Part. Und Baldwin ist auch derjenige, der im Abspann von I am Not Your Negroals Autor genannt ist. Endlich ein Film also von ihm, der zu Lebzeiten keinen Film drehen konnte, obwohl er Drehbücher schrieb, zum Beispiel das auf der Autobiographie von Malcolm X basierende Buch One day when I was lost.
Ein namenloses Paar lebt in einem abgeschieden gelegenen Landhaus. Er ist Dichter und leidet an einer Schreibblockade, sie gestaltet und restauriert liebevoll das gemeinsame Heim. Plötzlich steht ein Fremder vor der Tür, tags darauf dessen Frau.
Der Dichter lädt die beiden trotz der Bedenken seiner jungen Frau ein, länger zu bleiben. Tatsächlich zeigen sich die Gäste aufdringlich und rücksichtslos. Als auch noch ihre beiden Söhne auftauchen, kommt es zu einem blutigen Streit. Doch diese Invasion ist nur der Anfang einer albtraumhaften Eskalationsspirale.
„Dunkles Pulsieren in den Wänden, ein zugemauerter Keller, der vielleicht Geheimnisse birgt, ein Loch im Parkett, das zur schwärenden, blutenden Wunde wird - kein Muster des Spukhaus-Films bleibt hier ausgespart.“ (…) Aronofskys Sicht auf Beziehungsglück, Mutterschaft, Dichterruhm, ja die Welt überhaupt könnte schließlich düsterer kaum sein – wer bereit ist, sich berühren zu lassen, wird grausam bestraft. (…) Der Film ist eine Zumutung, von der man im Nachhinein das Gefühl nicht los wird, sie könnte sich absolut gelohnt haben."
Tobias Kniebe, Süddeutsche Zeitung
Es ist ein Märchen in realistischen Bildern, das die ungarische Regisseurin Ildikó Enyedi in Körper und Seeleerzählt. Bei der Berlinale hat sie Anfang des Jahres dafür den Goldenen Bären gewonnen. Enyedi zeigt einen Schlachthof in ruhigen dokumentarischen Szenen als nüchterne Erkundung eines brutalen Ortes. Doch dazu erzählt sie die unwahrscheinliche Liebesgeschichte zweier Menschen, die über etwas sehr Flüchtiges zueinander finden: über ihre Träume. Maria, die neu angestellte Kontrolleurin und Endre, der Geschäftsführer mit gelähmtem Arm, erleben nachts im Schlaf dieselbe Geschichte. Sie träumen von einem Hirsch und einer Hirschkuh im Wald. Es ist Winter, aber die Schneedecke, auf der die Tiere sich bewegen, ist noch nicht sehr dick.
„Ildikó Enyedis Film (…) ist eine behutsame Untersuchung des wohl schönsten aller Vorgänge: Zwei Seelen, die in zwei einander noch fremden Körpern wohnen, berühren sich. Das Erschütternde dieser Berührung erzählt Enyedi mit der Tiefe einer Philosophin und dem Eigensinn der Künstlerin.” DIE ZEIT
Bulgarien nahe der griechischen Grenze: Eine Gruppe deutscher Bauarbeiter kommt im Niemandsland an, um ein Kraftwerk zu bauen, für das ein Fluss umgeleitet werden muss. Die Männer um Vorarbeiter Vincent können weder Englisch noch Bulgarisch. Einer von den Neuankömmlingen ist Meinhard, der wie seine Kollegen in einer frisch errichteten Bauarbeitersiedlung wohnt. Die Arbeiten am Wasserkraftwerk dauern länger als geplant, weil der Nachschub fehlt – das Wasser reicht nicht mal, um genug Beton anzurühren. Meinhard, der in den Bergen ein Pferd gefunden hat, ist ein bisschen anders als die anderen: Während die keinen Kontakt zu den Bulgaren wollen, reitet er ins Dorf, wo er Einheimische kennenlernt. Der örtliche Steinbaron Adrian und Meinhard freunden sich langsam an, obwohl sie die Sprache des anderen kaum verstehen… Aber bald schon findet sich der schweigsame Ex-Soldat Meinhard zwischen den Fronten wieder.
Valeska Grisebach, deren letzter Spielfilm Sehnsucht2006 in die Kinos kam, meldet sich mit einem modernen Western zurück, der den Frontier-Mythos an die bulgarisch-griechische Grenze verlegt und bekannte Erzählmuster des Genres in die Moderne transportiert – aus Cowboys werden Bauarbeiter, aus Indianern die Bulgaren aus dem Nachbardorf. So taucht der Film wie nebenbei in die Entwicklungspolitik der Europäischen Union ab, während er kulturelle Missverständnisse offen zur Schau stellt.
Die Novelle von Marlen Haushofer erzählt die Geschichte der 19-jährigen Stella, die, als sie auf Wunsch ihrer Mutter einige Zeit bei Anna und ihrer Familie in der Großstadt verbringt, von Annas Mann Richard verführt und dann fallen gelassen wird. Als Stella nach einer erzwungenen Abtreibung Selbstmord begeht, ist sich Anna ihrer Mitschuld an diesem tragischen Geschehen bewusst und versucht, durch das Niederschreiben der Geschichte ihre Seele zu reinigen.
Nach dem großen Erfolg der Marlen-Haushofer-Verfilmung Die Wand verfilmt Julian Roman Pölsler erneut einen Stoff der österreichischen Autorin.